Meine Web-Art
Gestern war ich zu Besuch im Hotzenwald. Im Umraum eines von Karola Kaufmann kunstvoll umgebauten, ehemaligen Schützenhauses hat die Weberin eine Ausstellung im Freien zum Thema Meine Web-Art initiiert. Zwischen Bäumen und über dem Wasser schweben Stoffe und kunstvoll gewebte Kleider. Das Rauschen eines Baches, der Murg, untermalt das Szenarium. Ebenso gleitet aufgebahrt auf einem Gestell eine Puppe umhüllt von Stoffen über einen Teich. Karola lässt die Besucher:innen wissen, dass sie damit an Kinder erinnert, die bei den Überfahrten über das Mittelmeer ertrinken.
Vor einem alten Schuppen, in dem Spindeln, Fäden und rohe Wolle zu finden ist, erstreckt sich eine Wiese am Waldrand. Auch dort ist eine Installation zu sehen: Webrahmen ebenso wie ein Bett mit einer in der Sonne glitzernden Seidendecke. Dieses Ineinandergreifen natürlicher wie auch von Menschenhand verarbeiteter Rohstoffe weckt das Interesse: Auf welche Weise kamen die Materialien – wie der Schweizer Kaschmir, die tibetische Wolle oder chinesische Seide – in den Schwarzwald? Was treibt Karola an, diese spezielle Webkunst zu betreiben?
Ich möchte diesem Ariadnefaden folgen, um im Labyrinth internationaler Verflechtungen und ineinander verwobener Geschichten einen Weg zu finden.
VielFalt
2021 habe ich eine weitere Ausstellung mit dem Titel VielFalt im Völkerkundemuseum der Universität Zürich gesehen. Die damalige Ausstellung beruhte auf Exponaten von Karola. Aus diesem Kontext heraus weiss ich, dass sie eine langanhaltende Auseinandersetzung mit der hochwertigen Textilkultur der Miao-Frauen, einer Minderheit in Südwest-China, pflegte. Sie besuchte die Frauen regelmäßig, lernte von ihnen das Färben der Stoffe in Indigo sowie verschiedene Stick-, Falt- und Applikationstechniken kennen.
Laboratory of the Future
Einen weiteren Besuch möchte ich in die Beobachtungen dieser beiden unterschiedlichen Ausstellungen weben: Meine Reise auf die Architekurbiennale in Venedig 2023, die betitelt war mit Laboratory of the Future, die von Lesley Lokko kuriert wurde. Zum einen war dort eine Arbeit von Alison Killing zu sehen: KILLING ARCHITECTS. Investigating Xinjiang’s Network of Detention Camps. Killing verweist mit seiner Installation auf investigative journalistische Tätigkeiten, die auf Menschrechtsverletzungen der chinesischen Regierung gegenüber einer weiteren Minderheit, den Uiguren, aufmerksam machen. Zum anderen möchte ich auf die Arbeit von Lauren-Loïs Duah – Obroni Wa’awu: Cross-Continental Clothescapes – zu sprechen kommen.
Nehme ich nun also mit diesen vier Ausstellungsszenarien den Ariadnefaden auf, um ausgehend vom Schwarzwald eine transkontinentale Reise auf den Spuren von Wolle, Seide und weiteren Textilstoffen nachzuvollziehen.